Vorbereitung auf die Bikepacking Langdistanz

Ob Bikepacking Urlaub, Bikepacking Ride oder Bikepacking Race – eine optimale Vorbereitung steigert den Spaß oder sorgt überhaupt erst für den Erfolg, und sollte deswegen nicht unterschätzt werden.
Training sollte sowohl deine Ausdauer als auch deine mentale Stärke verbessern und dich auf die spezifischen Anforderungen von Bikepacking-Rennen vorbereiten.

9 Bereiche, in denen du dich vorbereiten solltest:

1. Langstrecken-Ausdauer aufbauen

  • Lange Fahrten einplanen: Plane wöchentliche lange Fahrten ein, bei denen du nach und nach die Distanz erhöhst. Ziel ist es, deinem Körper beizubringen, länger in Bewegung zu bleiben. Was eine lange Fahrt ist, ist allerdings von einigen Faktoren, z.B. physiologischen abhängig. Nicht jeder Athletenkörper ist für die Langdistanz geeignet und kann unbegrenzt auftrainiert werden. Wo die einen relativ locker 300 km täglich schaffen, kämpfen andere bereits ab km 100 und auch mit Training sind nur 200 km täglich möglich. Um gesund zu bleiben gilt: Höre immer auf deinen Körper. Gib ihm Zeit, sich an neue Anforderungen zu adaptieren, und akzeptiere natürliche Grenzen.
  • Kontinuierliche Belastung: Arbeite daran, mehrere Stunden in einem konstanten Tempo zu fahren, das deiner Zieldistanz entspricht. Bei Bikepacking Events zählt in der Regel die Bruttozeit, also nicht die Zeit in Bewegung, sondern die Zeit, die man insgesamt unterwegs ist. Gute Bikepacking Ultra-Cycling Sportler haben eine relativ hohe Bruttogeschwindigkeit. Sie sind daran gewöhnt, lange im Sattel zu sitzen und dabei konstant einen hohen Schnitt zu fahren. Gepaart mit einer guten Organisationsfähigkeit und Erfahrung haben sie i.d.R. auch sehr geringe Standzeiten. Um eine hohe Bruttogeschwindigkeit zu trainieren, mache gelegentlich eine längere Ausfahrt und nimm dir dabei eine hohe Durchschnittsgeschwindigkeit in Bewegung zum Ziel (z.B. 25 km/h). Das trainiert dich physisch. Gehe unterwegs dann a) mehrfach Verpflegung einkaufen, und b) baue mehrfach unbekannte Ziele ein (ein Dorf, ein Bahnhof, eine Sehenswürdigkeit, o.ä.). Das trainiert deine Organisationsfähigkeit unterwegs und verringert deine Standzeiten.
  • Back-to-Back-Tage: Trainiere an zwei aufeinanderfolgenden Tagen mit langen Fahrten, um dich an die Belastung mehrerer Tage zu gewöhnen.
  • Anaerobes Training: Nicht nur aerobe Ausdauerdistanzen machen dich schneller. Auch anaerobe Einheiten bringen etwas für die Geschwindigkeit, z.B. wenn Höhenmeter zu bewältigen sind. Der Klassiker des anaeroben Trainings sind Intervalle, oder hochintensive Intervalle (HIIT). Viele Übungen für Radfahrer dazu findest du z.B. auf Youtube. Wichtig beim anaeroben Training ist allerdings, dass du es nicht nur sehr selten einbaust. Dann nämlich verpufft die Wirkung. Regelmäßig ausgeführt, spürst du mittelfristig einen Erfolg.
    Es gibt auch ganz spezielle Trainings, wie z.B. Training mit Atemmaske. Hierbei soll nicht, wie man meinen könnte, Höhentraining unter Sauerstoffarmut simuliert werden, sondern es dient dem Training deiner Lungenfunktion. Die Maske erzeugt einen Atemwiderstand, welcher wiederum deine Atemmuskulatur stärkt, was das Atemvolumen steigern soll. Dieses Training sollte man nur indoor machen und nicht draußen auf dem Rad. Es ist sehr anstrengend.

2. Krafttraining und Core-Stabilität

  • Krafttraining (2-3 Mal pro Woche) stärkt die Beine, den Rücken und den Oberkörper, was dir auf langen Touren hilft, eine stabile und entspannte Position zu halten. Hierzu benötigt man nicht unbedingt Geräte, aber diese machen es einfacher. Eine kleine Fitnessstation zuhause (im Internethandel günstig zu erwerben) oder der regelmäßige Gang ins Fitnesscentrum tun hier Wunder. Radfahren ist ein Ganzkörpersport. Wenn nach 150 km nur noch deine Beine gut funktionieren, wird es sehr mühsam. Wenn aber dein ganzer Körper gestärkt ist, kannst du nochmal 150 km drauflegen …
  • Core-Stabilität: Ein starker Rumpf reduziert Ermüdungserscheinungen und stabilisiert die Haltung, was entscheidend ist, wenn du mit Gepäck fährst.

3. Mentale Vorbereitung

  • Mental Toughness: Setze dir Etappenziele und übe, mentale Tiefpunkte zu überwinden. Visualisiere dabei schwierige Situationen und übe, positiv zu bleiben. Welche Situation könnte zum Abbruch führen? Und wie kommst du gut darüber hinweg? Was macht dich unterwegs so richtig fertig, und wie kannst du antiziperend diese Situationen vermeiden? Trainiere nicht nur im Coffee Ride Modus. Fahre auch bei unangenehmen Bedingungen. Sie werden beim Ultra-Cycling kommen. Versprochen. Was ist deine größte mentale Schwäche? Lege dir Vermeidungsmethoden zurecht und trainiere sie vorher. Wenn dir Ideen fehlen, schaue Bikepacking Filme auf Youtube und lerne von den anderen.
  • Training bei schlechtem Wetter: Schlechtes Wetter und Erschöpfung sind bei Langstreckenrennen fast garantiert. Trainiere also auch bei Regen oder Kälte, um dich an schwierige Bedingungen zu gewöhnen. Hänge dein Rad auf keinen Fall Ende Herbst an den Nagel, sondern fahre idealerweise ganzjährig draußen. Einmal daran gewöhnt, empfindest du beim Ultra-Cycling kein noch so schlechtes Wetter mehr als Belastung. Schnell ist, wer auch bei Regen und Kälte nicht stoppen muss. Tipp: Im Winter indoor für spezielle Systemtrainings (z.B. HIIT), outdoors für Ausdauer und mentale und körperliche Abhärtung.

4. Bike-Fitting und Sitzkomfort

  • Bike-Fitting: Sorge für ein professionelles Bike-Fitting. Ein gut eingestelltes Rad verringert das Verletzungsrisiko und macht lange Stunden im Sattel angenehmer. Knieprobleme sind z.B. die am meisten gesehenen Probleme bei Bikepacking Rennen. Auch Nacken- und Rückenprobleme sind nicht selten. Beides führt oft zum Abbruch, die Teilnehmer müssen scratchen. Ein guter Bikefitter wird dir eine optimale Einstellung deines Rades ermöglichen, was die beschriebenene Probleme verhindert oder zumindest lindert. Die richtige Sitzhöhe, die richtige Vorbaulänge, das richtige Aerobar – wer vorsorgt, hat mehr vom Rennen. Aber: Das beste BIkefitting ersetzt kein Training. Wie der Körper sich auf das Rad adaptiert, ist auch eine Frage der Stunden im Sattel. Und auch hier gilt: Höre auf deinen Körper. Signalisiert er Schmerz, fahre das Training herunter oder variiere es. Steigere nach angemessener Zeit wieder und höre wieder in dich hinein. Wichtig: Sei nicht enttäuscht, wenn es nicht optimal läuft. Nicht jeder Körper ist für jede Sportart optimal geeignet. Agiere nie gegen deinen Körper. Das hilft dir, dauerhaft (schmerzfreien) Spaß am Sport zu haben.
  • Sitzkomfort verbessern: Ein spezielles Thema beim Ultra-Cycling. Saddle sore führt oft zum Abbruch des Rennens. Was wurde hier nicht schon alles gesagt und geschrieben! Wo man hinschaut, jeder schwört auf eine andere Methode und hat andere Tipps. Deswegen halten wir uns hier zurück. Allgemein kann man sagen: Experimentiere mit verschiedenen Sätteln, Hosen und Sitzcremes, um den besten Komfort für lange Strecken zu finden. Fange nicht 4 Wochen vor dem Event an, sondern 4 Jahre, aber mindestens 4 Monate vorher.

5. Pacing und Energiemanagement

  • Finde dein Tempo: Lerne, ein Tempo zu halten, das nachhaltig ist. Die ersten Kilometer sind nicht so entscheidend, sondern das lange Durchhalten. Oft beobachten kann man das „Startrennen“. Gepusht von der Anspannung, der Aufregung und den vielen anderen Aspiranten um sich herum, fährt man viel zu schnell los, um dann gnadenlos einzubrechen. Nimm dir fest vor, deinen individuellen Start zu fahren, nicht den von anderen. Lass die anderen ruhig nach dem Start davonpreschen, beim Ultra-Cycling zählen nicht die ersten 10 km, sondern der letzte Kilometer. Den muss man nämlich erreichen, um zu finishen. Mach von Anfang an dein Ding, und lass dich auch unterwegs nicht leichtfertig von den Dots der anderen von deiner erprobten Strategie abbringen.
  • Essensstrategie: Probiere während der Trainingsfahrten verschiedene Energieriegel, Gels oder Snacks, die du auch im Rennen verwenden willst, um Magenprobleme zu vermeiden. Regel: Beim Rennen nichts Unbekanntes. Teste ausreichend vorher aber auch Lebensmittel, welche du bei Cycling Event vermutlich vorfinden wirst. Wenn du den speziellen bio-dynamisch-veganen Eiweißriegel vom Bioladen um die Ecke perfekt verträgst, muss das mit dem Discounter-Riegel, den es in ganz Europa gibt, noch lange nicht so sein. Teste und trainiere vor dem Event die Ernährungsweise, die du wahrscheinlich aufgrund fehlender Alternativen gezwungenermaßen beim Ultra Event pflegen musst.

6. Navigation und technische Fertigkeiten

  • Navigation üben: Verwende dein GPS-Geräte so oft es geht, um dich an die Navigation während des Fahrens zu gewöhnen. Baue dir mit Routing Apps (komoot, brouter (kostenlos), u.ä.) eigene Strecken fürs Wochenende und fahre sie nach. Baue unterwegs auch mal bewussst eine Zieländerung ein, um dich auf unvorhergesehene Schwierigkeiten (z.B. Fahrt zu einem Radladen wegen eines Radschadens) vorzubereiten. Trainiere auch das Navigieren ohne dein Navi. Dieses kann nämlich unterwegs ausfallen (techn. Schaden, Strommangel), und dann musst du dich ohne orientieren (z.B. allein mit dem Smartphone). Apropos Strommangel: Trainiere auch vorher rechtzeitig, deine gesamten elektronischen Geräte mit Hilfe einer Powerbank oder einer Dynamonabe über längere Zeit am Laufen zu halten. Es ist sehr sinnvoll, zu wissen, wie oft man sein Navi und sein Phone mit der Powerbank nachladen kann.
  • Reparaturen unterwegs: Wichtig !! Lerne grundlegende Reparaturen wie Reifen flicken oder Bremsen nachjustieren bzw. auch Bremsbeläge wechseln. Nichts schlimmer, als unterwegs damit viel Zeit zu verlieren, oder sogar scratchen zu müssen. Erfahrungsgemäß fällt es unterwegs schwerer, Reparaturen auszuführen, denn man steht am Straßenrand, vielleicht im Regen, im Dunkeln und ist sowieso schon fix und fertig mit der Welt. Ganz im Ernst: Trainiere das! Fahr z.B. abends los, nach der Arbeit, bei Kälte und ohne Abendessen. Wechsele dann irgendwo nur mit deinem Bordwerkzeug den Schlauch am Hinterrad. Eine wertvolle Erfahrung …

7. Erholung und Schlaftraining

  • Schlafreduziertes Training: Da Bikepacking-Rennen oft auch Schlafmangel bedeuten, kannst du in der Vorbereitung gelegentlich Trainingsphasen mit weniger Schlaf einlegen, um deine Anpassungsfähigkeit zu stärken. Hierzu haben wir allerdings eine dezidierte Meinung: Bei vielen Bikepacking Rennen geht es v.a. um Schlafdeprivation. Wer am wenigsten schläft, ist am schnellsten. Manchmal hört man davon, daß ein Sieger über Tage überhaupt nicht geschlafen hat. Oder dass es zu schweren Unfällen wegen Sekundenschlafes auf dem Rad gekommen ist. Das ist nicht gut, weil nicht gesund. Das Ziel muss sein, ausreichend zu schlafen, und trotzdem schnell zu sein. Übe, eine gewisse Anzahl an Schlafstunden einzubauen, und dabei so wenig wie möglich Zeit zu verlieren. Übe und optimiere alle Handgriffe, die dich am Morgen schnell wieder aufs Rad bringen. Wer „Stunden“ braucht, um seine Isomatte wieder platzsparend aufzurollen, wird eine lange Bruttozeit aufbauen.
  • Erholungstage einplanen: Wie jedem Sport gilt auch hier: Bikepacking beansprucht deinen Körper enorm, also plane ausreichend Ruhe- und Erholungstage ein, damit du nicht übertrainierst.

8. Simulation von Rennbedingungen

  • Mini-Bikepacking-Touren: Organisiere kurze Bikepacking-Touren mit deinem gesamten Setup. Das hilft dir, deine Ausrüstung zu testen und dich an das Gewicht zu gewöhnen. Überlege nach jeder Tour, was du gebraucht hast und was nicht. Kannst du auf Gegenstände dauerhaft verzichten? Die meisten Bikepacker arbeiten sich im Laufe der Zeit an eine Minimalausrüstung heran. Das ist gut, darf aber deine Sicherheit nicht gefährden.
  • Nachts fahren: Falls dein Rennen auch nachts verläuft, trainiere gelegentlich bei Dunkelheit, um dich an Lichtquellen und Sichtverhältnisse zu gewöhnen. Trainiere mit deinem gesamten Gear. Denn nichts ist misslicher, als festzustellen, daß die Satteltasche die gewohnte Rückleuchte verdeckt, oder die Lenkertasche das Lichtspektrum der Frontlampe halbiert. Teste auf jeden Fall wie lange deine Akkuleuchten wirklich halten und verlasse dich nicht auf die Angaben der Hersteller. Kannst du unterwegs zur Not nachladen?

9. Ausrüstung testen und optimieren

  • Teste und optimiere deine Ausrüstung. Jeder Gegenstand sollte nützlich sein, ein kleines Packmaß haben und so wenig wie möglich wiegen. Auch die Taschenanordnung sollte getestet werden, damit du im Rennen schnellen Zugriff auf deine Ausrüstung hast. Übe die Handgriffe, welche dein Ausrüstung benötigen. Im Dunkeln, im Regen, in der Kälte nassgeschwitzt und frierend ewig nach der Lasche für den Aufstellbogen des Biwaksackes zu suchen, ist nicht angenehm. Wie funktioniert eigentlich die Stirnlampe und wie lange hält sie? Komme ich mit Radschuhen eigentlich schnell in meine Überschuhe? Alle Eventualitäten zu testen, schützt vor unliebsamen Überraschungen unterwegs.

Zu guter Letzt: Bikepacking-Rennen sind eine große Herausforderung und verlangen nicht nur physische, sondern auch mentale Stärke. Ein diszipliniertes und vielseitiges Training hilft dir, dich gut vorzubereiten, beim Rennen durchzuhalten und – das Wichtigste – dabei gesund zu bleiben. Viel Erfolg und vor allem: genieße das Abenteuer!

Christian, FLATY888 Team